Chronischer Durchfall, Bauchschmerzen, Blähungen oder Verstopfung - Den Ursachen des Reizdarmsyndroms auf der Spur
Was ist ein Reizdarm eigentlich genau?
Das Thema Reizdarm ist in aller Munde. Was sich jedoch dahinter verbirgt und was mögliche Ursachen sind, ist bis heute nicht vollständig geklärt.
Beim Reizdarmsyndrom ist die Funktion des Darms beeinträchtigt, weshalb auch von einer funktionellen Störung des Verdauungstraktes gesprochen wird. Dabei ist jedoch keine organische Ursache zu erkennen. Die Diagnose muss per Ausschlussdiagnose erfolgen, d. h. andere Ursachen, die für die typischen Reizdarm-Beschwerden Durchfall, Bauchschmerzen, Blähungen und Verstopfung verantwortlich sein könnten, werden ausgeschlossen. Nach einer gründlichen Basisdiagnostik können individuell ausgewählte Untersuchungen wie beispielsweise eine Darmspiegelung (Ileokoloskopie) folgen. Da Betroffene durch die Symptome eine extreme Belastung des Alltags und eine deutlich reduzierte Lebensqualität erfahren, wird oft ein probatorischer Ansatz verfolgt. Das bedeutet, dass ohne gesicherte Diagnose z. B. ausgewählte Bakterienstämme (Probiotika) zur Behandlung eingesetzt werden und nach einem Zeitraum von 4-6 Wochen die Wirkung auf Basis des Krankheitsbildes evaluiert wird.
Den Reizdarm-Ursachen auf der Spur
In den vergangenen 35 Jahren wurde intensiv Forschung zum Reizdarmsyndrom (RDS) betrieben. Der Fortschritt wird immer größer und trägt dazu bei, dass das Reizdarmsyndrom heute schon deutlich besser verstanden wird. Die Präsenz des Reizdarmsyndroms spiegelt sich auch in den Arztpraxen wieder: In den meisten Fällen erhalten Betroffene ihre Diagnose von ihrem Hausarzt. Oft besteht aber von dessen Seite Unsicherheit sowie Angst vor einer Fehleinschätzung, was die Situation für Reizdarm-Patienten zusätzlich erschwert. Trotz aller Schwierigkeiten können die Forschungsergebnisse der letzten Jahre etwas Licht ins Dunkel bringen, welche Ursachen dem RDS zugrunde liegen könnten:
Geschädigte Darmbarriere
In Fachkreisen fällt im Zusammenhang mit einer möglichen Reizdarm-Ursache häufig der Begriff des Leaky-Gut-Syndroms. Damit wird eine Fehlfunktion der Darmbarriere bezeichnet, welche aber allein nicht zwangsläufig für das Auftreten von Erkrankungen verantwortlich ist. Dabei liegt eine erhöhte Durchlässigkeit des Darms vor, verursacht durch unkontrollierte Zellzwischenräume. So ist es verschiedenen Substanzen möglich, die Darmbarriere zu passieren, obwohl genau dies verhindert werden sollte. Mit dem Eindringen von u.a. pathogenen Bakterien entstehen Mikroläsionen, welche zu Mikroentzündungen des Darmnervensystems führen können. Als Folge kann es zu typischen RDS-Symptomen wie Verstopfung oder Durchfall kommen. Die Ausprägung eines Reizdarmsyndroms kann durch eine ganze Reihe unterschiedlicher Faktoren begünstigt werden.
Durch eine geschädigte Darmbarriere dringen Schadstoffe und Erreger ein und führen zu Entzündungen. Symptome wie Durchfall, Bauchschmerzen oder Blähungen können die Folge sein.
Gestörte Darmflora
Entscheidend für eine intakte Darmflora ist eine ausreichende Anzahl nützlicher Darmbakterien. Dominieren allerdings krankheitsverursachende Darmbakterien die bakterielle Flora, sinkt die Anzahl nützlicher Darmbakterien - insbesondere bestimmte Bifidobakterien sind nicht mehr ausreichend vorhanden. Ein solch unerwünschtes Ungleichgewicht nennt man Dysbiose.
Medikamente
Einige Medikamente können sich in unerwünschter Weise auf den Magen-Darm-Trakt auswirken. Der wohl bekannteste Einfluss durch ein Medikament erfolgt bei der Einnahme von Antibiotika. Dabei werden neben den krankheitsverursachenden auch die nützlichen Bakterien abgetötet. Dazu gehören u. a. Bifidobakterien und Laktobazillen.
Ernährung
Ein weiterer Auslöser kann zu viel Fett und Zucker sein. Sie sind schlecht für die Darmflora, weshalb Betroffene auf eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung achten sollten. Besonders ballaststoffreiche Lebensmittel wie Vollkornprodukte, Wurzelgemüse oder Nüsse fördern eine gesunde Verdauung.
Stress
Auch bei Stress handelt es sich um einen bekannten Auslöser mit negativem Einfluss auf die Gesundheit: Psychische Belastungssituationen können zu einer erhöhten Darmaktivität führen. Auch die Immunprozesse im Darm können durch Stress gestört werden.
Weitere Faktoren
Neben den bereits genannten Ursachen können auch weitere Faktoren das Reizdarm-Leiden beeinflussen sowie die Symptome verschlimmern. Beispielsweise können Magen-Darm-Infektionen zu einem dauerhaften RDS mit Durchfall als Hauptsymptom führen. Bekannte Auslöser eines Infekts in Zusammenhang mit dem Auftreten des RDS sind Campylobacter-Bakterien. Außerdem weisen manche RDS-Patienten eine gesteigerte Aktivität des enterischen Nervensystems auf, weshalb sie die Darmaktivität stärker wahrnehmen.
Neben einer ungünstigen Zusammensetzung der Darmflora, wobei es zu einer Vermehrung gasbildender Darmbakterien kommen kann, sind auch Stress und psychische Belastungsstörungen mögliche Faktoren, die ein RDS begünstigen können.
Durch Zugabe ausgewählter Bakterienstämme kann die geschädigte Darmbarriere bei der Regeneration unterstützt werden, weshalb ausgewählte Bakterienstämme (Probiotika) zuletzt verstärkt bei Reizdarm-Leiden empfohlen wurden.
Basisdiagnostik bei Verdacht auf Reizdarmsyndrom |
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Quellen:
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